Donnerstag, 12. Juni 2014
Wwoofen auf Hokkaido
Wwwoof steht für world wide work on organic farms. Es ist eine Organization, die es Menschen jeden Alters erlaubt, in aller Welt auf organisch ausgerichteten Bauernhöfen gegen Kost und Logis zu arbeiten, sich auszutauschen und in andere Kulturen eintauchen. Seit mehreren Jahren liebäugelte ich nun mit dem Vorhaben Wwoofen zu gehen und nun endlich in Japan sah ich meine Chance diese Kultur noch von einer anderen Seite kennenlernen zu können. Eine Woche besuchte ich also ein Familie auf Hokkaido, die hoch oben in den Bergen, nahe eines Flusses in einem selbstgebauten Häusschen sich nach bestem Wissen und Gewissen selbst-versorgt. Es war eine lange Anreise und ich habe noch lange überlegt, ob es sich lohnt, aber all meine Bedenken waren verflogen als mich Mutter und Tochter an der Bushaltestelle empfingen - hier bin ich richtig!



Ich hatte mein eigenes Holzhäusschen im Wald umgeben von tausenden von Fröschen. Zugegeben, ich musste etwas schlucken, als mir mein Tagesablaufplan vorgestellt wurde: halb acht Frühstück, arbeiten, 10 Uhr Teepause, arbeiten bis zum Mittagessen, dann eine Stunde frei und dann arbeiten bis zur Kaffeepause und dann wieder bis zum abendlichen Bad so gegen 18Uhr. Danach Abendbrot und Schlafen gehen. Das klang nach viel Arbeit und für einen Moment war ich unsicher, ob es richtig war, meinen spärlichen Urlaub für die Feldarbeit zu opfern. Aber was solls - ich ließ mich drauf ein und hatte eine wirklich gute Zeit. Im Gegenteil: ich wurde so dermaßen gut bekocht und umsorgt, dass ich mit jedem Tag mehr arbeiten wollte, um meiner Dankbarkeit irgendwie Ausdruck zu verleihen.



Meine Aufgaben bestanden im wesentlichen aus dem morgendlichen Wässern des Gewächshauses, nach den Mahlzeiten das Geschirr abwaschen, Holz stapeln, ab- und zu Unkraut jäten und dem Vater bei diversen Tätigkeiten helfen. Das Holzstapeln war überraschenderweise gar nicht so einfach, wie es aussieht. Das frisch geschlagene Holz verliert noch ca 20 bis 40\% Wasser und die Kunst besteht darin, es so zu stapeln, dass der ganze Stapel beim Trocknen gemächlich zusammenschrumpft und nicht zusammenbricht. Es war wie ein großes Puzzle, das mich gut herausforderte und immer wenn mein Ehrgeiz gar zu groß wurde, kam die Teepause. Hier mein Ergebnis, von dem ich hoffe, dass es bis zum Frühjahr stehen bleibt:



An zweiten Tag haben wir das Schaf geschoren. Mit der Hand, nicht mit der Maschine. Es tat gut zu sehen, wie sorgsam der Vater mit dem Tier umging und wie sich das Familienschaf mit jedem Kilo abfallender Wolle sichtlich wohler fühlte und entspannte. Zum Schluß wollte sie gar nicht mehr aufstehen. Anschließend habe ich gelernt, wie man einen Elektrozaun installiert und wie man vermeidet, dass die Batterie im Nu alle ist.




Eines der Highlights für mich, weshalb ich diese Familie und diesen Ort ausgewählt hatte, war das Außenbad. Das Baden ist ein wichtiger Bestandteil der japanischen Kultur, wie ich an anderer Stelle noch berichten möchte. Es gibt viele Variationen, aber ein privates Außenbad kannte ich noch nicht.
Es besteht traditionell aus einem gußeisernen Bottich unter dem ein Feuer entzündet wird. Das ist beeindruckend simple und trotzdem nicht ganz so einfach zu wie es sich anhört, denn das Bad und auch die äußeren Umstände besitzen eine ganz eigene Dynamik, die sich mir erst so nach- und nach erschloß.



Ich habe mich immer gewundert, dass ich in der sengenden Mittagshitze das Feuer anmachen sollte, habe versucht zu diskutieren und es meist aufgegeben und einfach getan, wie befohlen. Ich hatte einige Gelegenheit das o-furo auszuprobieren, zu verschiedenen Tages- und Nachtzeiten, allein und mit der kleinen Tochter und alles hatte seinen eigenen Reiz. Das nächtliche Froschkonzert im Dunklen, das Plantschen zu zwein. Beim Sitzen im Kochtopf über loderndem Feuerrausch wurde mir aber auch etwas anders zu mute.... Mittlerweile weiss ich, dass es sinnvoll ist, das Feuer frühzeitig anzumachen, wenn man nicht im Rauch sitzen will und dass es für den Po und andere Körperteile durchaus angenehmer ist, wenn der Eisenbottich seine Hitze bereits an das Wasser abgegeben hat. Falls jemand einen solchen Eisenbottich übrig hat... her damit!





Etwas, was ich sehr faszinierend fand, waren die Shitake-Pilze, die ich alle 2-3 Tage zu wässern hatte. Dabei konnte ich miterleben, wie schnell Pilze doch wachsen können. Der Prozeß des Beimpfens der Stämme ist relativ einfach. Man bohrt in regelmäßigen Abständen Löcher in das Holz und füllt diese mit Impfdübeln, in denen der Pilz lebt. Der Pilz bereitet sich dann nach und nach im ganzen Stamm aus, was einige Zeit dauert. Das heißt, man muss etwas Geduld haben, bis ein Stamm vom Pilz so durchdrungen ist, dass er regelmäßig immer wieder Fruchtkörper produziert. Im Internet habe ich erfahren, dass die ersten Pilze erst nach frühestens 12 Monaten zu sprießen beginnen. Das hängt aber auch vom Wässern ab, denn Pilze lieben es feucht. Dann aber, kann man mehrere Jahre von April bis Dezember ernten und essen und mittlerweile mag ich den Geschmack der bei uns nicht heimischen Shiitake-Pilze auch sehr gern. Manche der von mir gewässerten Stämme lagerten dort schon 10 Jahre und wurden wohl schon von sehr vielen verschiedenen Wwoofern gegossen (und gegessen).



Eine weitere Aufgabe, die ich gern nutzte, um in der Mittagszeit in das angenehm kühle Haus zu flüchten, war das Verpacken der selbstgebackenen Kekse und Kuchen. Ich hatte gerade eine Phase erwischt in der ein großer Markt vorbereitet wurde und so klebte ich Etiketten, band Schleifchen um die zahlreichen nach japanischer Art einzeln verpackten Küchlein und Keksbeutelchen und tauschte mich über Rezepte aus. Anfangs war ich etwas enttäuscht, weil es eher europäische denn japanische Backwaren waren, aber die waren dafür sehr lecker und für mich einfacher nachzumachen als die japanischen Kunstwerke. Ich begleitete Mutter und Tochter auf einen größeren Indoor-Markt in der Hauptstadt Hokkaidos. Dort gab es ausschließlich Selbstgemachtes, darunter viel Genähtes. Aber leider nicht die Art von Handwerk, die mein Herz höher schlagen läßt, und so amüsierte ich mich mit der Kleinen.



Am meisten begeistert haben mich hier die Kids. Die waren so smart, pfiffig und selbstständig, dass ich nur Staunen konnte. Der mittlere brachte mich immer wieder zum Lachen, der Älteste ist ein guter Beobachter und Drummer und wir hatten zwei kurze, aber lustige Sessions zusammen und die Kleinste war einfach beeindruckend und immer für Überraschungen gut. Ich bin begeistert von ihren Zeichnungen, ihren Fotos und ihrer charmanten Art, in der sie mir klar machte, dass sie das Lied, was ich gerade angestimmt hatte, nicht mag. Während die Jungs tagsüber in der 15km entfernten Schule waren, blieb ich mit Mutter, Vater und Tochter zu Hause. Meine Frisur wurde täglich von der Kleinen kritisch beäugt und korrigiert und auch auf dem Markt hatten wir eine Menge Spaß zusammen. Nur ungern verließ ich diesen Ort und hoffe wieder zurückkehren zu können....