Matsuri
An meinem letzten Sonntag in der Stadt gab es ein Fest, Tenno-Matsuri. Matsuri ist wohl ein recht genereller Begriff für traditionelles Fest, so etwas wie Stadtfest oder Kirmes. Jede Stadt hat 1-3 Feste pro Jahr, immer am gleichen Tag, also nicht unbedingt am Wochenende. Das Fest meiner Stadt ist am Geburtstag meines Betreuers, und er genießt es, dass ein jedes Jahr die ganze Stadt mit ihm feiert. Die Hintergründe sind mir trotz emsigen Nachfragens noch nicht ganz klar. Von einer Seite hörte ich, dass es ein Samureifest sei. Dass allerdings ist wiederrum ein großer Begriff, der in mir nochmehr Fragezeichen aufwirft. Am einfachsten ist vielleicht zu erzählen was da passiert.

Wie schon zum Sakurafest gab es zahlreiche Imbiss-, Los- und natürlich Goldfischbuden und ich hatte Gelegenheit ein geschichtetes Rührei-Sandwich probieren zu können. Kraut, Eierkuchenteig, Schinken und natürlich Ei wird alles gebraten und dann geschichtet und dann wieder gebraten. Ich war immer sehr angetan von der Optik und es schmeckt auch ganz gut. Es gab im Parkt bestimmt doppelt soviele Stände, wie beim Sakurafest. Allerdings blieben sie diesmal nur einen Tag. Es gab auch zwei Bühnen mit Tanzaufführungen und Musikaufführungen. Die erste Tanzaufführung die ich dabei zu Gesicht bekam, waren Hawaianische Tänze. Ich bin kein Fan von Showtanz und wollte eigentlich gleich weitergehen, aber die geschmeidig-fließenden Bewegungen der Japanerinnen haben mich trotz der etwas kitschigen Musik fasziniert verweilen lassen. Hawai und Japan - die Verbindung hätte ich sicher nicht gezogen, was zeigt, wie trotz aller Verliebtheit mein Blick doch recht einseitig ist. Für mich sind alle Japaner fasziniert von Bach, Brahms, Mozart, Beethoven, Neuschwanstein und Rothenburg ob der Tauber. Hawai und Brasilien passen da so gar nicht in mein Bild. Vielleicht fehlt mir auch einfach ein Aufenthalt im Süden, wo die Kultur einer Insel im Pazifik noch spürbarer ist, als hier im Norden. Ich weiss nicht viel von Hawaianischer Kulture, aber beim Anblick der Tänzerinnen konnte ich verstehen, warum die zarten oder auch nicht so zarten Japanerinnen sich in dieser Kultur wiederfinden können. Die darauffolgenden Gruppen waren nicht so gut und ich ging weiter.

Etwas abseits entdeckte ich einen Mann mit einem kleinen Drehorgelgroßen Wagen umringt von einer Kinderschar. Ist das vielleicht... - Ja, tatsächlich, das war ein Kamishibai...- Mensch. Ein Kamishibai ist ein hölzernes Minitheather, eine Art Bilderrahmen, in dem Bildtafeln eine die vom Kamibishai-Menschen erzählte Geschichte illustrieren. Früher gab es sehr viele Kamibishibaierzähler. Sie fuhren mit ihren Wägen in die Parks, erzählten Geschichten und verkauften dabei Süßigkeiten - das waren quasi die Eintrittskarten. Mit dem neuen Medien sind sie aus den Parks verschwunden, aber scheinbar gibt es noch ein paar einzelne Exemplare von ihnen. Meine Japanischlehrerin hat - als sie erfuhr, dass wir Geschichten mögen, sich einige der sehr bekannten und beliebten Kamishibai aus der Bibliothek ausgeliehen und sie uns vorgelesen. Die meisten Geschichten handeln von Oochiisan und Obaasan - Großväterchen und Großmütterchen, die meist keine Kinder haben und arm sind, aber ein gutes Herz haben. Ich mochte die Illustrationen sehr gern und genoß die Geschwindigkeit des Erzählens und Umblätterns. Mit nostalgischen Augen beobachtet ich nun den Kamishibaierzähler. Die Bilder waren nicht fesselnd und doch waren scheint die Kinder von dieser alten Art der Unterhaltung recht angetan, was mich erfreute. Im Gegensatz zu den Kindern schien er selbst etwas gelangweilt zu sein von seinem Job. Mit viel Routine verteilte er die Süßigkeiten und blätterte die Seiten um. Nun ja, die Überlebenden leben ohne Konkurrenz.

Im Zentrum des Festes stand eine Parade, also ein Umzug, der hauptsächlich von hiesigen Schulen gestaltet wird. Sie starten vom Bahnhof, wo vor Beginn des Umszugs u.a. die Schulorchestern ihr Können präsentierten. Die waren wirklich gut und es gab einen ziemlich großen Anteil an Mädchen, u.a. auch die Dirigentin selbst - ein etwa 14 jähriges Mädchen. Dann begann der Umzug. Etwas 8 Schulen präsentierten Tanzaufführungen. Ein Wagen mit Lautsprechern spielte Musik und die Kinder und Lehrerschar folgte.

Laut meinen Infos sind alle Schüler dabei und die Gesichtsausdrücke der Kinder varrierten von gequält, über stolz, bis hin zu ``Spaß haben''. Letzteres überwog deutlich und so war es auch mir eine Freude ihnen zuzusehen und die Präszision mit der sie gemeinsam klatschten, riefen, tanzten und in die Luft sprangen war faszinierend - eine schöne Frucht der japanischen auf Gleichschritt und detailgetreue Imitation getrimmten Schulbildung.
Die Feuerwehr hatte auch einen Wagen und wie bei uns, gab es eine Blaskapelle mit gleichen Tönen, was mich etwas verwirrte. Sie nutzten die Gelegenheit Werbung für den Gebrauch von Feuerlöschern zu machen und die Hausfrau war ein beliebtes Fotomotiv. Auf jeden Fall hatten sie eine Menge Spaß und wir am Rande auch... was vielleicht auch an einem anderen Fakt lag...
Das eigentümlichste an diesem Fest aber nämlich die Bukemono. Verkleidete und maskierte Freiwillige, die den ganzen Tag durch die Stadt liefen und wahlweise Sake oder Saft ausschenkten. Ihr Ziel war es nicht erkannt zu werden von den Stadtbewohnern. Wer drei Jahre hintereinandern nicht erkannt wird, wird angeblich mit viel Glück belohnt. Nun.. ich habe ersteinmal die nehmende Seite probiert und die Gelegenheit genutzt etwas vom hiesigen Sake zu verkosten, denn es gab an der Strecke auch Nachfüllstationen für die Bukemono, an denen man Sake bekam und die Sorte wählen durfte.

Es gibt wohl wenig Städte in denen man einen Tag lang kostenlos Sake ausschenken könnte, ohne hinterher die Notfallstationen voll Trunkener Menschen zu haben. Stellt Euch mal ein skandinavisches Land vor! Aber hier ist das Sich-Betrinken nicht sehr populär und ich habe wenig wirklich trunkene Menschen gesehen. Es war einfach ein schönes entspanntes kleines Fest in sommerlicher Atmosphäre - ein schöner Abschluß meines Aufenthaltes hier.