Teezeremonie,... die 1.
Eine Teezeremonie ist ein Muss für jeden Japanreisenden. So oder ähnlich steht es in sämtlichen Reiseführern, die ich zu lesen bekommen hatte. Dass ich auf ganz anderem Wege zu dieser alten Tradition gefunden habe, sei einmal dahingestellt. Ich war auf jeden Fall neugierig, wie eine Teezeremonie in Japan nun tatsächlich aussehen würde. Gleich in der ersten Woche habe ich nachgefragt bei allen Japanern, mit denen ich mich auf Englisch verständigen konnte. Das waren nur zwei: die Frau von meinem Betreuer und meine Japanischlehrerin. Nicht viel, aber ich hatte Glück, denn meine Lehrerin nimmt selbst Unterricht und war ganz erfreut von meinem Interesse. Sie begann sofort für mich und die zwei jungen Franzosen, mit denen ich Japanisch lerne, ein Treffen für die darauffolgende Woche zu organisieren. An besagtem Tag fuhren wir gemeinsam zum Haus der Teelehrerin, einem eher unscheinbaren, aber typisch japanischem Haus. Wir betraten den Innenhof durch das hölzerne Schiebetor, wanderten den kurzen Weg über Trittsteine zum Haus und das leider in solch einer Eile, dass mir keine Zeit blieb, den kleinen Garten näher zu betrachten. Innen zogen wir die Schuhe aus und betraten den Tatamimattenbereich. Meine Tasche mit der Kamera ließ ich am Eingang zurück, denn alles war so klein und winkelig, dass ich nicht mit dem Rucksack anecken wollte und auch unsicher war, ob es später einen Ort zum Abstellen geben würde. Wir gingen in ein Vorzimmer, legten dort unsere Jacken in einen Schrank. Aus mir noch unerklärlichen Gründen scheint diese Kultur es noch nicht für notwendig befunden zu haben, Garderoben mit entsprechenden Haken zu erfinden, in meinem Apartment habe ich auch etwas derartiges noch nicht entdecken können, dafür einen Schrank im Eingangsbereich...?? Aber dazu ein andermal... Ich entledigte mich also allen unnötigen Ballasts und trat in den Teeraum.

Es war ein 8-Mattenraum, d.h. 8 Tatamimatten (ca à 90x180cm) haben darin Platz. Das ist recht groß für einen Teeraum, der meist zwischen 2,5 und 4,5 Matten umfasst und dadurch wesentlich intimer ist. Aber dieser Raum wird häufig zum Üben genutzt und ist deshalb geräumiger. Beim Eintreten blickte ich in der gegenüberliegenden Bildnische, der Tokonoma, auf eine Kalligrafie. Darunter gab es ein dezentes Blumengesteck, an dass ich mich leider kaum mehr erinnere.
Die Kalligraphie in der Tokonoma
Wir suchten uns einen Platz und begrüßten die Lehrerin mit einer Verbeugung und stellten uns dann nacheinander vor. Dass hatten wir im Unterricht zwar geübt, aber ich habe natürlich just die Hälfte vergessen. Nicht schlimm. Dann redeten oder vielmehr rätselten wir über die Kalligrafie. Meine Kalligrafielehrerin in Berlin hat mir dankenswerterweise bei der Übersetzung geholfen: „the sense of spring is all over the woods and Uguisu are singing everywhere“, lautet ihre Übersetzung. Uguisu 鴬 ist die Japanische Nachtigall: ein kleiner, grünlicher Vogel, der im Gegensatz zu unserer Nachtigall, tagsüber singt. „Uguisu wird mit Ume(Pflaumen)-Blüten und neuem Wachstum in Verbindung gebracht, deswegen ist es ein Frühjahrsbote und wird auch 春告鳥, harutsugedori, wörtl. „Vogel, der die Ankunft des Frühlings verkündet“ genannt.“ - so die Information einer tollen Webseite, die mich mit den Informationen versorgt hat, die bei der Teezeremonie in all der Aufregung zu kurz kamen. Dort gab es auch die folgenden zwei Fotos von der Uguisu und einem Uguisu Mochi - der entsprechenden Süßigkeit, die uns kurz darauf gereicht wurde.
Diese weichen Bällchen aus Motchi-Klebreis und gefüllt mit süßer Bohnenpaste mag ja nicht jeder - ich liebe sie (mittlerweile)! Nun, man muss vom europäischen Konzept einer Süssigkeit schon etwas Abstand nehmen, um sich auf die Japanischen einlassen zu können. Mich faszinieren sie immer wieder in ihrer Vielfalt und Andersartigkeit, besonders was die Konsistenz betrifft. Diese grün-bepuderte Variante hier kannte ich noch nicht. Die Konsistenz war sehr besonders: eine eher schwere Füllung aus einer dunklen, sämigen, süßen Masse und drumherum ein zartes Häutchen aus blassgrünem Motchiteig. Obendrauf war ein blassgrünes Puder, Mehl aus gerösteten Sojabohnen - wie ich später herausfand. Ich hielt das Usuigu-motchi in meiner Hand, fühlte das Gewicht und ich möchte meinen, ein Vogelkörper wiegt genauso viel - oder genauso wenig. Wäre es warm gewesen, hätte ich vielleicht Skrupel gehabt hineinzubeißen, aber so... aß ich sehr vorsichtig (auch um das Puder nicht überall zu verteilen). Es war köstlich!
Das Reinigen der Schale Der Griff zur Teedose Den Tee schlagen..
Absorbiert vom Genuß, bekam ich den Beginn der Teezubereitung durch die Tochter meiner Japanischlehrerin gar nicht mit. Als ich aufschaute, war sie schon in vollem Gange! Sie nutzte für die Vorbereitung ein Tablett und obwohl es in der Mitte des Raumes einen Kessel gab (mit Spuren von Holzasche darunter, wie ich neugierig feststellte) kam das Wasser für den Tee aus der Thermoskanne. Ich nehme an, die Holzkohlevariante hätte den zeitlichen (und vielleicht auch finanziellen) Rahmen unseres Unterrichts gesprengt und war uns deshalb vorenthalten worden.
Warten und die schönen Dinge bewundern..
Alles in allem war es ein lockeres Beisammensein, wenig steif und wenig heilig. Die Teelehrerin sprach alle notwendigen japanischen Sätze vor, wir sprachen nach. Das war recht einfach. Ich gebe zu, das Drumherum war auf aufregender für mich, als der Tee selbst, der allerdings einen sehr schönen Schaum hatte.

Für die, die mit der Teezeremonie noch nicht so vertraut sind.. Es wird häufig ein Matchatee serviert. Dazu wird ein Pulver aus getrockneten Grünteeblättern in heißem Wasser mit einem Bambusbesen aufgeschlagen und es ensteht idealerweise ein hellgrüner Schaum mit nicht zu großen Blasen. Der Geschmack erinnert manch einen an Spinat oder Algen, was am Chlorophyll – den grünen Farbpigmenten der Pflanzen liegt. Matchatee ist stärker als ein normaler gebrühter Tee, vielleicht vergleichbar mit Espresso. In der Schale befindet sich daher nur ein relativ kleiner, aber sehr intensiver Schluck dieses köstlichen Getränks.
die zweite auch ..und schon leer getrunken
Beide Schalen zeigen Motive der jetztigen Jahreszeit: hina dolls - für den Girls Day Anfang März, und sakura - die Kirschblüten, auf die wir gerade warten.
Nach dem ersten Tee gab es noch eine andere Süßigkeit: aufgespießte grüne Bällchen unter einer braunen Decke. Aufgespiesste Bällchen heissen hier Dango. Es gibt sie in verschiedenen Varianten, mit verschiedensten Soßen. Diese hier ist aus... – na... was wird das wohl sein? Richtig... Bohnenpaste. Aber das drunter – dass war das eigentlich überraschende: ein grünes Bällchen mit merkwürdig fester Konsistenz, dass irgendwie nach Gras schmeckte. Ich war irritiert, denn bisher war in allen Süßigkeiten, die grün waren, auch Grüntee drin.... Es wurde mir als saisonale und regionale Spezialität vorgestellt und nach ein paar Recherchen im Netz kannte ich auch den Namen: Kusa Mochi, wobei "Kusa" Gras bedeutet. Das „Gras“ war 蓬Yomogi, japanischer Beifuß, der mit unserem Beifuß verwandt ist. Die Mochis heißen daher auch Yomogi-Mochi.
Mit dieser für Teezeremonien ungewöhnlich großen Süßigkeit war ich reichlich beschäftigt und schaffte es kaum fertig zu werden, als mir schon die zweite Schale Matchatee serviert wurde. Ich bedankte mich für die Zubereitung bei der Gastgeberin, dankte mit einer allgemeinen Geste allen anderen, die mir den Genuß dieses Tees ermöglicht haben, und trank auch diese. Es folgte nocheinmal ein Dank und dann säuberte die Temai die Teeutensilien und brachte sie zurück in die kleine Tee-Küche nebenan, die mizuya.
Der Ort der Vorbereitung..
Wir plauderten währenddessen ein wenig.
Meinen Namen fanden die Damen in der Runde sehr schön. Er erinnerte sie an den Film von Humphrey Bogart und Audrey Hepburn. Ich war erstaunt - hatte ich mir doch im Vorfeld Gedanken gemacht, ob sie meinen Namen überhaupt aussprechen werden können und ob ich mich nicht zeitweise anders nenne... Ich sollte nicht soviel denken, dacht ich und wurde von einem Kichern auf der anderen Seite aus meinen Gedanken gerissen. Die Damen blickten immer wieder zu mir herüber und kicherten. Auf mein Nachfragen, gab mir die Teelehrerin mit Gesten zu verstehen, dass sie von meiner langen, schmalen Gesalt angetan ist. Etwas aufgeregt ging sie daraufhin ins Nebenzimmer und kam mit einem altrosafarbenen, sehr langen Kimono zurück, den ich anprobieren sollte. Er passte perfekt! ..woraufhin alle ihre Kameras zückten...
obligatorische Kimonobilder sehr zufrieden
Danach gab es noch einige Gruppenfotos vor der Kalligraphie (Foto folgt evt.) und einiges Gelächter. Dann verabschiedeten uns und fuhren zurück.
Beim Herausgehen griff ich meinen Rucksack mit der Kamera. Ich war dankbar, dass Vincent Fotos gemacht hat und bin jetzt dankbar, dass ich sie hier zeigen kann. Ich bin mir sicher, dass ich nicht das letzte Mal in diesem Haus gewesen bin und nicht das letzte mal auf einer japanischen Teezeremonie.