Sonntag, 13. April 2014
Eisgekühlte Nudeln, Bento Box und Sahneschwarte
Nach gut vier Wochen geschmacklichem Abenteuerurlaub, möchte ich ein paar Worte zum Essen verlieren. Über die Süßigkeiten habe ich mich ja hin- und wieder ausgelassen - die Hauptgerichte sind aber auch nicht ohne! Wer gerade einen leeren Magen hat, sollte sich vorher was zu Essen holen, wem Geschichten übers Essen zuwider sind, sollte diesen Beitrag überspringen. Allen anderen wünsche ich Viel Spaß beim Lesen.
Nach den vielen Eindrücken der Teezeremonie gestern mittag, beschloß ich, mich in dem Park-Cafe-Restaurant vor meiner Haustür bekochen zu lassen. Das Restaurant hat einen guten Ruf, soll auch nicht ganz billig sein, aber ich bekomme angeblich Nachbarschaftsrabatt. Da alles gut aussah, habe ich wahllos auf ein Bild gezeigt und dann den Blick aufs Wasser und die Stille dieses angenehmen Lokals genossen.

Kurz darauf stand das Menü vor mir. Die japanische Küche erinert etwas an die Spanische: es gibt immer viele verschiedene kleine Köstlichkeiten. Hier gab es Tempura: allerlei in Teig Frittiertes - Kürbis, Süßkartoffel, Aubergine, eine Garnele war auch dabei. Daneben liegt ein Stück gegrillter Fisch mit frischem Grün drapiert. Darunter die hierzulande obligatorischen meist in Pflaumenessig sauer eingelegten Gemüsestückchen (Pickles). In diesem Fall handelt es sich - passend zur Kirschblütenzeit um roten Rettich und rechts oben der weiße Berg.... Nudeln. Im Nachhinein weiss ich, es waren Zaru-Udon: kalte, dicke Weizennudeln auf einem Bambussieb (Zaru).
Man muss wissen, die Japaner haben ein Faible für Kaltes. Ich mag ja auch gern Eiscreme, aber hier sind sie nahezu fanatisch darauf erpicht, wenn es darum geht Getränke oder Essen zu kühlen. Wasser kommt immer mit Eiswürfeln, die Thermoskannen habe ein Extrasieb für Eiswürfel und beim Bier wird mit der Temperatur geworben - je kühler je besser. Vor zwei Jahren kam die Kirin Brauerei auf die Idee, Bierschaum Schockzugefrieren, damit dieser die Form behält und wie ein Deckel auf dem Bier, das Bier vorm Warmwerden bewahrt (siehe hier...)

Gut, ich habe die Sommer hier noch nicht erlebt und weiss nicht, wie notwendig diese Maßnahme ist. In Deutschland kann ich gerne den ganzen Sommer heißes Wasser trinken, das muss den Japanern sehr merkwürdig erscheinen. Wie dem auch sei - ich war jedenfalls etwas überrascht unter den kalten Nudeln Eiswürfel zu finden. Die Soße, in die ich die Nudeln (intuitiv richtig) eingetunkt habe, war logischerweise auch kalt. Die Konsistenz der Nudeln hat mich etwas an Tintenfisch erinnert, etwas zäh aber irgendwie lecker. Die Udons muss ich nochmal wo anders probieren, gerne auch warm, bevor ich mir eine Meinung dazu bilde.

Im Anschluß gab es noch einen Kaffee. Es war mein dritter Kaffee seit meiner Aknunft, sprich seit 4 Wochen, und ich muss sagen, ich habe nicht einmal in Italien einen so intensiven, aromatischen, wenn auch vergleichsweise säuerlichen Kaffee gehabt, wie hier. Der Kaffee ist recht teuer (etwa 2,50 bis 3,-Euro für Cafe Creme) und ich vermute sie verwenden hier Bohnen mit einem höheren Säureanteil als die Standardbohne in Deutschland ihn hat. Das ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber dann sehr lecker und an Intensität einem Matchatee keineswegs nachstehend.

Das Mahl war lecker und eine gute Abwechslung zu meinen privaten Gemüseexperimenten. Und weil es gerade passt, hier noch ein Bild meiner ersten Bento-Box, die ich mir in einem Laden nach einem ähnlich blinden Auswahlverfahren habe zusammenstellen lassen:
Hier hatte ich allerdings so eine Art Schweine-Schnitzel erwischt, ein kleines Häufchen Nudelsalat, ein Häufchen Kartoffelsalat, zwei kleine Quader Rührei, zwei Scheibchen saurer weisser Rettich, ein paar Fäden geraspelter Kohl und Möhren und natürlich Reis mit schwarzem Sesam obendrauf. Die Schnitzelchen waren anfangs noch warm, aber bis ich zu Hause war, waren sie schon kalt. Was nicht schlimm ist, denn das Essen in der BentoBox kann man warm oder kalt essen. Es gibt sie in zahlreichen Variationen, mit Fisch, ohne Fisch, groß wie hier oder nur halb oder viertel so groß. Man kann sie in kleinen Läden kaufen, wo sie frisch und z.T. nach Wunsch zusammengestellt werden. Die sind manchmal angeschlossen an eine Metzgerei, muss aber nicht. Man kann sie im Kühlregal im Supermarkt oder im Spätkauf finden, in Automaten, in U-Bahnhöfen - es gibt speziell für die Shinkansen konzipierte Boxen - kurz... BentoBoxen gibt es einfach überall, zu jeder Zeit und in unzähligen Variationen. Der Preis variiert auch entsprechend von Subway-Sandwich über Kantinenmahlzeit hin zu Businesslunch. Ich mag die Boxen mit in süßem Rührei eingewickeltem Reisbällchen ganz gern. Die BentoBox ist quasi das Pendant zu unserer Stulle in der Brotbüchse. Sie ist entstanden zur Verpflegung unterwegs oder tagsüber auf dem Feld. Früher pflegten die Frauen und Mütter kleine Holzboxen für ihre Liebsten mit allerlei Leckereien zu befüllen - aber heutzutage fehlt vielen die Zeit dafür. Allenfalls Schulkinder und Angehörige von BentoBox-Liebhabern profitieren noch von dieser Tradition.

Was alle unteren Preisklassen aber gemein haben: sie erzeugen unglaublich viel Müll. Es sind immer Plastikboxen in Plastiktüten, meist noch mit einem grünen Dekogras zwischen dem Essen, manchmal mit kleinen Sojasoßenfläschen und standardgemäß mit einer feuchten Serviette und einem Paar Holzstäbchen versehen, damit man sich sofort damit auf die nächste Wiese zum Picknicken setzen kann. Sehr verführerisch, diese praktische, vielfältige, allgegenwärtige und günstige Verpflegungsoption.

Was mich in Punkto Essen bislang aber am meisten beeindruckt und mir eine sehr offene Haltung gegenüber den lokalen Speisen, insbesondere gegenüber den Fleischgerichten, beschert hat, war ein Stückchen Schweinefleisch in Soße, dass mein Betreuer für mich bei unserem ersten gemeinsamen Abendessen bestellte. Man muss wissen, ich ernähre mich zunehmend vegan, bin aber keineswegs dogmatisch. Milch vertrage ich manchmal nicht so gut und bei Fleisch bin ich schlichtweg sehr mäkelig was die Konsistenz und die Tierhaltung betrifft. Als Kind konnte ich meinen Vater in die Verzweiflung stürzen, wenn ich anfing mein Schnitzel von alledem zu befreien, was ich als eckelig empfand. Das kleine, rechteckige Mittelstückchen, was dabei noch übrig blieb, war meist kaum der Rede wert und irgendwann habe ich aufgehört mir diese Arbeit zu machen. Vielleicht könnt ihr Euch vorstellen, was ich empfand, als mir mein Betreuer folgendes Gericht aufmunternd zuschob:
Ich musste mich stark zusammenreissen, um meinen Würgreflex zu unterdrücken. Wir hatten schon ein großes ``Schiff'' mit diversem, sehr feinen, rohen Fisch verspeist, sowie einen Teller mit frittierten Bergblumenknospen, kleine, gekochte Pilzchen und wilde Bergpflanzensprossen. Dazu gab es einen sehr milden und aromatischen Sake - Kurz, ich hatte schon einen Marathon an geschmacklichen Neuentdeckungen hinter mir und konnte mich so ziemlich allen seinen Empfehlungen nur anschließen. Und nun dieses Stückchen Fleisch, dass ich als Schwarte bezeichnen würde, so fettig sah es aus. Er lobte es in den höchsten Tönen und ich war trotz meines Ekels - neugierig auf dieses Geschmackserlebnis. Also machte ich die Augen zu, klemmte die Schwarte zwischen die Stäbchen und balancierte sie in meinen Mund.... Ich glaube ich hatte selten so eine starke Diskrepanz zwischen meiner Erwartung und meiner tatsächlichen Wahrnehmung erlebt: das Schweinefleisch hatte die Konsistenz einer Sahnetorte und schmeckte süßlich, aromatisch, wie ein würziges Karamellbonbon! Ich war sprachlos. Sollte ich in meinem nächsten Leben als Schwein wiedergeboren werden... dann Bitte, Bitte in Japan! - schoss es mir durch den Kopf, während das Karamell in meinem Mund langsam dahin schmolz. Oh könnten doch alle fleischverarbeitenden Menschen das Talent besitzen, das Fleisch des Tieres auf solch delikate Weise zu veredeln - an dem Geschmack kann man sich mindestens ein, wenn nicht noch mehr Monate erfreuen.



Der alte Garten
Im Anschluß an das gute Mahl im Park-Restaurant Samstag nachmittag, habe ich beschlossen, endlich das Museum um die Ecke zu besichtigen. Meine Japanischlehrerin hat mich neugierig gemacht, mit der Aussage, dass ein altes Farmhaus aus der Gegend in der sie aufgewachsen ist, dorthin versetzt wurde und ich wollte sehen, wie die alten Bauernhäuser in Japan aussahen. Es war schon reichlich spät, aber die Frau an der Kasse versicherte mir, die verbleibende Stunde bis zum Toresschluß reiche völlig für das Museum. Ich war skeptisch, aber ging trotzdem rein.

Das Haus und das Grundstück gehört der Familie, die lange Zeit hier geherrscht hat und 1950 ihren Familienbesitz, inklusive Garten, in einer Art Heimatmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Drinnen durfte man keine Fotos machen, leider, sonst hätte ich die aus alten Kimonofäden gewebten Fischer- und Bauernkluften fotografiert - die waren beeindruckend schön. In dem zeitlos schlichten Design hätte die Kollektion auch gut in einen gehobeneren Kreuzberger Laden gepasst. Beim späteren Recherchieren habe ich gelernt, dass die Idee des Wiederverwertens von Dingen hierzulande einen Namen hat: Mottainai! und auch, dass dieses alte Handwerk auch andere Menschen derart begeistert hat, dass sie diese Tradition des Verwebens alter Fäden wieder aufgegriffen und wiederbelebt haben.

Auch die Flechtkunst, mit der sie diverse kleine Behältnisse, wie z.B. BentoBoxen! herstellen, war interessant, auch weil sie diese hinterher lackierten. Es gab eine große Sammlung verschiedenster geflochtener Reusen der Fischer und eine Sammlung sehr schöner, langer Bambusrouten. Der Landlord hatte seinen Samurei nahegelegt doch Fischfang zu betreiben, um ihre martialen Fähigkeiten weiter zu trainieren ohne ständig kämpfen zu müssen. Statt einem Schwert bekamen sie eine lange Rute aus Bambus, für die die gleichen ehrenvollen Umgangsformen galten, wie für ihr Schwert. Diese schlichten, schätzungsweise 4-5m langen Routen waren sehr schön und erinnerten mich ein wenig an die Sammlung von Holzbögen eines begnadeten Berliner Bogenbauers. Das Bild daneben brachte mich zum Schmunzeln. Es zeigte die Garde kräftiger, junger Samurei in schicken Trachten, die - ein jeder mit seiner langen Bambusroute auf einem Fels im Wasser stehend - angelten... Das war irgendwie "niedlich".
Im Garten habe ich enthemmt durch eine kleine Gruppe Japanerinnen, die munter alles fotografierten - mich inklusive - dann doch die Kamera gezückt und einige, scheue Fotos gemacht. Hier eines von dem japanischen Bauernhaus, für das mir leider kaum mehr Zeit blieb. Alles was ich davon im Schnelldurchlauf mitbekommen habe, war der intensiv-rauchige Geruch und die Schwärze des Rußes überall, denn drinnen gab es zwar Feuerstellen, aber keinen offensichtlichen Abzug, wie in unseren Häusern. Vielleicht, wie immer versteckt? Dass muss ich mir ein andermal nochmal genauer anschauen.
Der alte Kirschbaum links daneben ist von der knorrigen Sorte, wie sie auch im Park vielfach zu finden sind. Und wie seine Kollegen, ist auch dieser hier, sehr alt und innen hohl. Er besteht quasi aus nichts außer der Hülle eines Baumes und erblüht dennoch alljährlich in jugendlich-zartem Rosa.
Der Teich gehört zu dem alten Garten, der selbst nicht wirklich groß ist, und doch sehr, sehr kompakt und schön. Ich habe einen wunderbaren Zeitpunkt abgepasst, ihn zu entdecken, denn der alte Kirschbaum stand in voller Blüte.
Den schönsten Blick auf den Garten hatte ich jedoch aus jenem alten Holzhaus heraus:
Der Eingang befindet sich an der dem Garten abgewandten Seite und man musste - wie so oft - die Schuhe ausziehen. Meine Wanderschuhe sind was das betrifft denkbar unpraktisch, aber der Aufwand hat sich gelohnt, denn nun durfte ich auf jahrhunderte alten, schon weich getretenen Tatamimatten umherwandeln. Wieviele Füße sind hier schon entlang geschlurft? Unzählige... und jeder einzelne hat das Stroh etwas weicher werden lassen. Ein angenehmes Gefühl und ich schritt ganz vorsichtig, fast erfurchtsvoll von Matte zu Matte. Vielleicht, weil ich durch meine Füße das Alter dieser Matten und dieses Hauses direkt spüren konnte... und die leblosen Dinge und beschriebenen Geschichten so etwas lebendiger wurden. Oder weil mich der angenehm weiche und warme Boden einfach hat sinnlich offener werden lassen - wer weiss. Ich war auf jedenfalls sehr angetan von dem Raum, dem Geruch, der Stille und als ich durch eine der Schiebetüren nach draußen den Garten erblickte, blieb ich offenen Mundes stehen und sank hypnotisiert zu Boden. Der alte Garten erschlug mich förmlich und ich trank durstig mit meinen Augen die Farben und Formen dieses Ensembles: das flache Türkis des Teichs, das rauhe Grau der kleinen Brücke, das markant in einem kräftigen Bogen gezähmte Rotbraun der Kiefer, dazwischen das Grün der sanft geschwungenen Büsche und Hügel und zu alledem das zarte Rosa der unzähligen Blüten des seit Jahrhunderten alljährlich erblühenden und liebevoll in Szene gesetzten alten Kirschbaums.
Ich bin dankbar für diese Minuten, in denen ich mich in Stille und ungestört diesem Anblick hingeben durfte, und meine Achtung vor diesem schönen Miteinander war offensichtlich so groß, dass selbst mein unermüdlich analysierender Verstand es unterlassen hat, das Erblickte in Einzelteile zu zerlegen und stattdessen respektvoll schwieg.



Unter Frauen...
Gestern morgen war es endlich soweit: mein erster Teeunterricht in einer Gruppe Japanerinnen! Meine Vorführung am Mittwoch abend hatte ausgereicht, dass ich gestern in den Gruppenunterricht durfte.

Wir waren etwa 10 Frauen bunt gemischt von schätzungsweise 27 bis 72 und übten in zwei großen Teeräumen. Ich war von der Örtlichkeit allein schon beeindruckt: Tatamimatten, Schiebetüren, ein raffiniertes rundes Fenster, die Kalligraphie, das Blumengesteck und nicht zuletzt der Kessel, der geruchs- und geräuschlos mit Holzkohle betrieben wurde... und das ganze gleich in zweifacher Ausführung! Soviel ästethische und interessante Details wollte ich erstmal verarbeiten. Dazu kam ich aber gar nicht, denn die Frauen kamen mehr oder weniger alle nacheinander und jeder einzelnen wurde ich vorgestellt, bzw. musste ich mich vorstellen... Name... woher.. warum hier. Ich war die Attraktion und die Frauen waren sehr beeindruckt, dass im fernen Deutschland auch Teezermonie auf Tatamimatten unterrichtet wird, dass ich Tatamimatten zu Hause habe und dass mir ein deutscher Lehrer so etwas so gut beibringen konnte. Zu gern hätte ich mehr erzählt oder nachgefragt - fühlte mich aber sprachlich reichlich behindert und von ihren neugierigen Fragen latent überfordert. Schade, aber die Kommunikation muss leider warten.. Ich verschob alle Fragen auf ein andermal, übte mich vielfach im Verbeugen und Danke sagen und genoß es, wenn ich einfach still am Rande zusehen durfte ohne Mittelpunkt des Gesprächs zu sein. Trotzdem habe ich mich sehr wohl gefühlt dort unter den Frauen, deren Worte ich zwar nicht verstand, aber denen ich mich jenseits dessen doch irgendwie sehr verwandt fühlte. Mag sein, dass es daran lag, dass sie genau wie ich Schritte, Abfolgen und Sätze lernen mussten. Die Sprache, die in der Teezermonie verwendet wird, ist ein sehr altes Japanisch... kein Wunder dass manchmal die Menschen im Restaurant oder auf der Straße schmunzeln, wenn ich mich auf die höflichste Art und Weise bei Ihnen für eine Kleinigkeit bedanke. Aber gut, besser so als andersherum. Jedenfalls freue ich mich auf ein langsames Hineinwachsen und Vertrautwerden mit dieser Gruppe Frauen... meine Motivation Grammatik zu pauken ist seit Mittwoch auf jeden Fall stark gestiegen und ich habe mir ein Buch besorgt und die ersten Lektion heute durchgearbeitet.



Samstag, 12. April 2014
Vom Schenken und Beschenkt werden
Mittwoch abend hatte ich spontan die Möglichkeit bekommen, Einzelunterricht im zeremoniellen Teezubereiten zu bekommen. Mein Gefühl von damals - dass ich in das Haus der Teelehrerin wohl wieder zurückkehren werde, hat also gestimmt. Ich hatte mir den Weg durch das Labyrinth kleiner Straßen gut gemerkt gehabt und kam genau rechtzeitig an. Die Unterweisung begann gleich am Eingang mit dem Wasserbecken, in dem man - wie auch bei den Schreinen und Tempeln - Hände und Mund spült. Sie war erstaunt, dass ich kein Handtuch bei mir hatte - ich war erstaunt, dass man in Japan normalerweise immer ein Handtuch bei sich führt. Seitdem trage ich eines der kleinen weißen Handtücher aus dem 1 Euro-Shop mit mir herum und schaue, wofür das sinnvoll sein kann. Zum Trocknen des Fahrradsattels nach einem Regenschauer hat es sich schonmal bewährt. Aber zurück zum Tee, dem eigentlichen Anliegen meines Besuchs.

Das Teemachen klappte hervorragend und die Lehrerin war sehr zufrieden mit mir. Zumindest glaube ich das, wobei ich bei jedem Kompliment immer etwas am zweifeln bin, wieviel davon von der guten japanischen Sitte vorgeschrieben ist und wieviel echtes Erstaunen ist. Viel fragen ging auch nicht, denn im Gegensatz zu den Handgriffen beim Teemachen - über die wir uns sehr schnell mit Gesten einig wurden - war jegliche Kommunikation wahnsinnig anstrengend. Ich gebe zu, ich habe einige Male einfach nur genickt und ``hai, hai'' gesagt, in der Hoffnung, eine richtige Vermutung zu haben; jedem Satz mit einem freundlichen Lächeln und einer entschuldigenden Geste des Nicht-Verstehens zu begegnen, schien mir irgendwie auch unangemessen. Die gute Frau in dem schönen, schlichten Kimono und dem dezenten Make-up gab sich sehr viel Mühe alle Gegenstände auf englisch zu benennen. Ich habe ihr leider nicht so recht klarmachen können, dass mir die japanischen Namen der Gegenstände durchaus geläufig sind und im Gegensatz zu all den kleinen Wörtern dazwischen kein wirkliches Problem darstellen, zumal ich die Bezeichnung ``Matcha'' und ``Chawan'' verglichen mit ``green powdered tea in a tea bowl'' definitiv angemessener finde. Aber gut, sie war auf jeden Fall sehr bemüht und nun weiss ich nicht, wozu ich alles Ja-gesagt habe und wofür ich mich vielleicht fälschlicherweise alles ausgegeben habe.
Am Ende des Unterrichts gab es noch einige Fragen zum Essen.. Magst Du Sushi? Onigiri? Diese Süssigkeit oder jene.. Ich habe meistens ganz unschuldig mit ``Ja'' geantwortet. Zum einen war es einfacher, zum anderen gibt es in Japan bis auf wenige Ausnahmen, kaum Dinge, die ich wirklich nicht mag. Kurz darauf verschwand sie und kam mit einem Onigiri für mich zurück. Das ist so eine Art Reissandwich - recht lecker und praktisch. Ich bedankte mich und mir fiel der Käsekuchen ein, den ich am Nachmittag in der Konditorei erstanden hatte. Die Konditoreien hierzulande pflegen einen eher französischen Stil: es gibt - aus deutscher Sicht - winzige, teure, aber sehr hübsch-aussehende Kunstwerke dort zu kaufen. Mein erstes Miniatur-cheese-cake-chen habe ich mit einer Freizügigkeit kurzentschlossen weiterverschenkt, die mich selbst erstaunt hat. Aber ich fühlte mich von dem Unterricht, den schönen Gegenständen, Bewegungen und dem Ambiente so genährt, dass ich den Kuchen gut loslassen konnte. Allerings löste dass eine ungeahnte Reaktion bei Ihr aus. Denn nun lief sie suchend im Zimmer umher und kam aus all möglichen Ecken mit diversen Süssigkeiten zurück. Ich fühlte mich überhäuft mit Geschenken, die ich zwar artig dankend annahm, doch ich verließ das Haus etwas irritiert; ahnend, dass ich mich wohl mit der berüchtigten japanischen Sitte des Schenkens und Beschenkentwerdens werde auseinandersetzen müssen.

Japan ist das Land des Schenkens schlechthin, wobei es im Gegensatz zu unserer Kultur, dabei selten um das Geschenk an sich und um das Beschenkt werden geht. Hier steht das Schenken und evt. auch die Wertschätzung, die dadurch ausgedrückt wird im Vordergrund. Es gibt zahlreiche Süßwarenläden und Konditoreien, die zahllose sorgfältig eingepackte Boxen mit kleinen Keksen, Zuckerplätzchen, haltbarem Bohnenkonfekt, haltbarer Küchlein und ähnlichem anbieten - manchmal mit kleinem Sichtfensterchen, denn diese Küchlein, Kekse, Pralinen oder was auch immer, sind meist alle nochmal einzeln verpackt und mit Stempelchen der Konfisserie versehen... Zahllos und vielfältig und alles was ich bis jetzt probiert habe war gut. Kurioserweise werden die gar nicht wirklich gegessen. Sie werden einzeln zum Tee gereicht oder in Altären gehortet, gleich neben den einzeln verpackten, riesigen Edelorangen und Edeläpfeln.

Ich habe in Deutschland in den letzten Jahren mich dem Schenken enthalten, um aus dem Geschenkewahnsinn herauszukommen. Seit kurzem habe ich erstmals wieder aufrichtige Freude und Lust am Schenken verspürt und ich hatte wenig Lust mich jetzt wieder irgendeinem sozialen Druck auszusetzen. Auf der anderen Seite macht es auch Spaß zu schenken. Und ich überlegte schon, was ich bei meiner Rückkehr in dieses Land aus Deutschland mitbringen könnte. Was ist in Deutschland wertvoll, besonders und schön, dass man es Japanern schenken möchte? Meine Japanischlehrerin war von einem Küchenmesser von Henkel sehr angetan. Für sie ist Deutschland das Land der scharfen Messer und des Baumkuchens - den sie sehr mag. Ich werde weiter recherchieren, was die Menschen hier mit Deutschland verbinden... Seriöse, ernsthafte Menschen, soviel weiss ich schon.

Ich bin jedenfalls gespannt, wie sich diese Verbindung weiter entwickeln und wohin sie mich führen wird. Sofern es beim Süssigkeitentausch bleibt, ist das ein entspanntes und lustiges Spiel.



Kirschblüten und japanische Hotdogs
Ich habe es kommen sehen - nun ist es soweit: die Kirschbäume blühen!... zumindest einige und im Park unweit meines Appartments tummeln sich schon die Leute zwischen diversen kleinen Buden, Familien picknicken und lassen sich unter den Bäumen fotografieren, Kinder staunen und verliebte Päarchen turteln in der Dämmerung unter den Lampions, die überall aufgestellt sind.

Das Wetter war letztes Wochenende wie bestellt: sonnig, warm & windstill. Ich habe heute den ganzen Sonntag im Park verbracht, japanische Grammatik gelernt und die Atmosphäre genossen. Alle waren gut drauf und im Hintergrund säuselte von irgendwoher eine Art laute Spieluhr, die dem ganzen Schauspiel noch mehr Leichtigkeit und Lieblichkeit verlieh. Einige Fotos kann finden sich hier: Hanami-Fotogalerie

Zwei Wochen sind die Buden wohl aufgebaut - zwei Wochen habe ich also Zeit, japanische Jahrmarktkost zu probieren. Was ich bisher gesehen habe waren CREPES, aufgerollt mit Schlagsahne drin (die hier irgendwie noch cremiger schmeckt, als bei uns), und buntem Zeugs obendrauf, Erdbeeren und Äpfel mit Zuckerguss, Bananen mit Schokoüberzug, frische Waffelbällchen - natürlich gefüllt mit Bohnenpaste, farbiges (und vermutlich gesüßtes) Wasser, z.T. mit Crushed-Ice, frittierte Süßkartoffeln, Omeletts mit diversen Füllungen, Gegrilltes Fleisch und natürlich Nudelsuppe und diese Spieße mit Bällchen aus gekochter Sojasoße, deren Geruch mir Übelkeit verursacht. Es ist bislang das einzige, womit man mich wirklich verjagen kann.

Interessant fand ich die zwei-drei Fischstände. Bei einem gab es sogar kleine Schildkröten zu kaufen. Beim Fischstand war tatsächlich ziemlich Andrang und ich sah einige Kids später noch mit kleinen Fischtüten umherlaufen. Mein Nachfragen ergab, dass die Fischchen wohl eine Art Katzen- oder Hundeersatz sind, die hier ziemlich teuer zu halten sind. Auf Katzen und Hunde muss man sehr aufpassen - streunende, herrenlose Tiere werden nach 24h eingeschläfert.

Das meiste was an den Ständen so angeboten wurde hat mich nicht sehr angesprochen und ich war eigentlich auch noch satt von einem sehr delikaten, späten Mittagessen - aber als mir eine Gruppe älterer Schüler mit diesem merkwürdig aussehenden Spieß entgegenkamen wurde ich doch neugierig... und da der Stand reichlich frequentiert war, probierte ich eine der - wie sich herausstellte - japanischen Hotdogs:
Das angebissene Würstchen habe ich euch erspart, aber im Prinzip ist es ein (sehr dünnes) Wiener-Würstchen auf einem Holzstäbchen aufgespießt und mit einem vermutlich Klebreis (Motchi!)-Teig umwickelt und dann frittiert und mit wahlweise Majo/Ketchup/Sojasoße.. eingepinselt. Das schmeckt wie Wiener-Würstchen ohne pappigen Brotgeschmack. Also wenn man Wiener Würstchen so sehr mag, dass man den recht stolzen Preis von 3,50 Euro für ein spärliches Würstchen ausgeben mag, dann kann damit glücklich werden... satt wird man davon nicht. Aber das brauchte ich auch nicht und so konnte ich Würstchen-knabbernd im Sonnenuntergang unter Lampions und Kirschblüten umherspazieren und den Tag verdauen.
Tagsüber verunstalten diese Laternen etwas das Bild. Aber die gehören vermutlich dazu. Ich habe mir sagen lassen, dass da die Namen von Firmen drauf stehen.. vermutlich Sponsoren. Abends erhellen die Laternen die Alleen und einen Sponsor konnte ich auf Anhieb entziffern...



Dienstag, 8. April 2014
Die Toilettenschuhe
Sie ist längst überfällig, diese Geschichte - die Geschichte über die japanischen Toiletten, die auch in keinem Reiseführer oder Landschaftsporträt fehlt. Aber meine Geschichte dazu... brauchte eine Weile - oder vielmehr ich brauchte eine Weile, um mir eine Meinung zu bilden. Nein, das stimmt nicht, eine Meinung hatte ich schon vorher: Ich finde den Technikwahn der Japaner übertrieben und an ihren Toiletten kondensiert sich dieser übertriebene Technikwahn nun einmal. Ich brauche so ein High-Tech-Ding nicht für meinen Hintern. Und ich wusste, dass ich es haben werde, denn es ist ein Gerät, dass mittlerweile zur Standardausrüstung eines jeden japanischen Hauses gehört...
Nun, hier also meine Geschichte, oder vielmehr Geschichten, denn ich habe sie gesplittet. Aber vielleicht einmal von vor und mit einer vernünftigen Vorstellung für all jene, die das Vergnügen vorort an jenem Ort noch nicht hatten. Dies ist also meine Toilette:
This is the Toilett.
Etwas unscheinbar, aber ganz wichtig - rechts unten am Eingang: die Toilettenschuhe. Man zieht sie an, wenn man rein geht und zieht sie idealerweise aus, wenn man diese wieder verlässt. Dass man sie das allererste Mal vergisst auszuziehen, ist vermutlich fast obligatorisch für Nicht-Japaner und es nicht zu vergessen ist eher unmenschlich, als andersherum. Ich hatte dieses Erlebnis vor sieben Jahren in einem Gasthaus in Tokyo und der Schreck darüber scheint sich in meinem Gehirn erstaunlicherweise doch festverankert zu haben, denn ich kann stolz behaupten, dass sich diese Schuhe seit meiner Ankunft nicht mehr als 50cm von dieser Schwelle entfernt haben. Ich nehme es als kleines, tägliches Achtsamkeitstraining - es hilft tatsächlich erstaunlich gut gegen zuviel Gedankenversunkenheit!

Der eigentliche Nutzen dieses alten Rituals leuchtet mir dagegen wenig ein. Ich habe versucht mir vorzustellen, wie ungeschickt man sich auf diesem Ort anstellen muss, um einen derartigen Aufwand zu rechtfertigen. Mir fielen die Toiletten auf Tankstellen ein, aber da braucht es mehr als nur ein paar Wechselschuhe... und hier handelt es sich nicht um eine öffentliche Toilette, sondern um ein Einzelappartment.. Nein, ich bleibe beim Achtsamkeitstraining als Motivation und amüsiere mich darüber, dass ich für knapp einen Meter Fussboden, die Schuhe wechsele.

Allerdings muss man wissen, dass in Japan, wie auch in anderen südeuropäischen Ländern, traditionell das Hocken überm Donnerbalken kultiviert wurde. Das Prinzip des Lochs im Boden, bei dem die nackte Haut keinerlei unhygienische Oberflächen berühren muss, entsprach dem ausgeprägten Reinlichkeitsbedürfniss der Japaner - und tut es noch nach wie vor. So gibt es in öffentlichen Gebäuden meist westliche und traditionelle Toiletten, wenn auch letztere immer seltener - oder ich bewege mich in Etablissements, wo die Donnerbalken nicht zum Image passen. In meinem Institut habe ich jedenfalls noch keinen gefunden, sonst hätte ich ihn sicher fotografiert. In ihrer Schlichtheit eignen sie sich für ästethisches Design besser als die europäischen... Aber gut, es geht ja nicht nur um Ästetik.... Um zurück zum Thema zu kommen.. Beim Besuch einer solchen Toilette ist mir aufgefallen, dass der Umgang mit einer solchen doch wesentlich mehr...äh... Treffsicherheit bedarf...hüstel, hüstel.... Wenn man - mal abgesehen von europäischen Gästen - bedenkt, in welchen unterschiedlichen Gemütsverfassungen der Japaner diesen Ort aufsucht, könnte der Aufwand von Toilettenschuhen hier durchaus angemessen sein - so zumindest mein Resümee zum Thema Toilettenschuhe.



Vertraute Fremde...
Heute war ein feiner Tag, ein sonniger Tag, aber mein Kopf war heute morgen unglaublich matschig. Das lag entweder wiedermal am extremen Wetterwechsel, oder ich habe zuviel oder zulange gearbeitet die letzte Nacht. Fakt war, ich war was Denkarbeit betrifft völlig arbeitsunfähig. Also beschloß ich spazieren zu gehen, nahm vorsichtshalber Rucksack und Geld mit und schlenderte los.

Ich wählte die Richtung, die ich bisher noch nicht erkundet hatte. Kurz darauf, wusste ich auch warum: Die Hauptstraße war schrecklich unspektakulär und schien auch nur in weitere unspektakuläre Vororte zu führen. Ein paar unscheinbare Schilder wiesen auf kleine, verschlafene Läden hin, die man auch nicht unbedingt kennen muss, ausser man wohnt nebenan und ist über 60. Von dieser älteren Bevölkerung gibt es auch in Japan immer mehr. Ihr täglicher Bedarf scheint zumindest groß genug zu sein, dass sich ein paar kleine Gemüseläden, die ich zwischendrin entdeckte, gegenüber den großen Supermärkten noch behaupten können. Mir fiel mein leerer Kühlschrank zu Hause ein und ich überlegte ob deren Gemüse wohl aus der Region oder zumindest aus Japan kommen mag oder ob es von China importiert ist und ob mein Japanisch schon reicht, um das herauszubekommen. Aber ich hatte wenig Lust auf Kommunikationsexperimente und mir tat prompt wieder mein Kopf weh, also ging ich weiter.

Kurz darauf stand ich unverhofft vor der Konditorei, oder besser dem Süßwarenladen, in der uns meine Japanischlehrerin vor kurzem gelehrt hat, wie man japanische Süßigkeiten einkauft. Auch wenn ich mir sicher bin, dass bei meinem Heißhunger auf japanische Süssigkeiten mangelnde Japanischkenntnisse das kleinste Problem gewesen wären...war es doch ungemein hilfreich und die Hemmschwelle die Süssigkeiten dort zu kaufen und nicht im Supermarkt (wo sie bei weitem nicht so lekker sind) ist doch deutlich gesunken. Ich freute mich, den Laden so nah an meinem Haus wiedergefunden zu haben und überlegte schon, welche der Motchis ich heute probieren sollte... Aber der tolle Familienbetrieb, vor dessen Tür ich nun stand, hatte leider, leider aus unübersetzbaren Gründen zu. Schade.

Ich sah mich um... Gegenüber gab es eine kleine Anhöhe, die interessant aussah und zumindest nicht offensichtlich einem der angrenzenden Häuschen und Gärtchen zugehörte. Ich schaute vorsichtshalber rechts und links, ob einer der Gärtchenbesitzer sich stören könnte an meinem Vorhaben, aber da war keiner. Also kletterte ich hinauf. Oben angekommen stand ich vor einer Bretterwand, die man von unten nicht hat sehen können. Ich war etwas enttäuscht und lugte neugierig durch ein Astloch. Wiese und... Grabsteine. Die Rückwand vom Friedhof also. Na gut, warum nicht. Zum Sitzen reichte der Platz auf der Anhöhe und hier war es zumindest sonnig und die Pflanzen und großen Gräser rundherum sorgten dankbarerweise für etwas Windschatten. Mehr wollte ich eigentlich nicht: einfach irgendwo, windstill, in der Sonne sitzen und den aufkeimenden Frühling genießen.

Ich schaffte es bestimmt drei Minuten und dann begannen meine Augen schon wieder umherzuwandern und scannten schließlich den Boden nach bekannten, womöglich essbaren Pflanzen. Seit ich vor zwei Jahren begann mich für Wildpflanzen zu interessieren ist das eine Macke geworden, die ich nicht mehr abstellen kann, besonders im Frühling. Erst scannen sie in Zusammenarbeit mit meinen Ohren das Geäst sämtlicher Bäume nach gefiederten Bekannten, jagen jedem sich bewegenden Flugobjekt hinterher und kaum fängt das Grün an zu sprießen, scannen sie den Boden. Aber gut. Hier in der Fremde bin ich ungemein dankbar für die vielen vertrauten Gefährten, sowohl in der Luft als auch am Boden. Gundermann und Sauerampfer habe ich entdeckt und sofort probiert! Schmecken hier genauso gut, wie zu Hause. Und seit ich bei der Teezeremonie von den Süßigkeiten mit japanischem Beifuß (Yomogi) erfahren habe, ist dieser mit ins Scanprogramm aufgenommen worden. Und tatsächlich wucherte es hier schier von Yomogi. Im Gegensatz zu dem, den ich letzlich im Wald gefunden habe, sah dieser zart, jung und saftig aus. Während ich noch überlegte, wie aufwändig Yomogi-mochis wohl zu machen seien, ob ich alle Gerätschaften habe und woher ich die Zutaten bekomme, sammelten meine Finger schon eifrig die jungen Triebe. Ich fügte mich - ohmächtig und dankbar- dieser Entscheidung, die jenseits meines immer noch nebeligen Kopfes ein Teil in mir getroffen hatte und fügte der Sammlung noch ein paar aromatische Gundermannblätter hinzu. Dann machte ich mich freudig auf den Heimweg. Ich hatte wieder ein Projekt! ...und als ich zu Hause angekommen war, war mein Kopf klar und ich fühlte mich gesund und munter.
Yomogimotchi formen und dann kochen
Unterwegs hatte ich das nötige Mehl in einem der kleinen Gemüseläden erstehen können. Das war gar nicht so schwierig - was vielleicht daran lag, dass es nur zwei Sorten Mehl in diesem Laden gab und nur eine davon für Süssigkeiten taugte. Hätte ich in dem großen Supermarkt zwischen 10 für mich ununterscheidbaren Mehlsorten auswählen müssen, hätte mein Kopf sicher wieder blockiert und ich hätte den Laden ohne Mehl fluchtartig verlassen. Aber so... aß ich erstmal den frischgedämpften Reis, den mein Reiskocher für mich in der Zwischenzeit gekocht hatte und machte mich an die Arbeit. Diesmal habe ich nicht erst versucht die Anleitung zu übersetzen - ich hab mir ein englisches Rezept aus dem Internet gezogen und das Mehl optimistisch nach Gefühl zugegeben. Nach nicht mal 20 Minuten schwammen diese kleinen grünen Bällchen im Topf und ich stellte erstaunt fest, dass die japanischen Süßigkeiten, die ich so sehr liebe, eigentlich nichts weiter sind als Mehlknödel... Reismehlknödel um genau zu sein... und dass mir das Rollen der Knödel und das Kochen doch irgendwie sehr, sehr vertraut vorkommen (...ich sage nur Thüringen...). Nur tun wir in Thüringen selten rote Bohnenpaste in die Knödel oder mischen den Kloßteig mit frischen aromatischen Frühlingskräutern.. warum eigentlich nicht?
Yomogimotchi
Ich rollte die in kaltem Wasser abgeschreckten Knödel noch in braunem Kinako (geröstetes Sojabohnenmehl) - naja und einen rollte ich versuchsweise in braunem Zucker, denn für die klassische rote Bohnenpaste fehlte mir der Dosenöffner und so ganz ohne Zucker weigerte ich mich die Bällchen als Süssigkeit zu identifizieren. Dann bereitete ich mir noch einen Matchatee mit meinem neuen Teeset ...und seufzte kurz, weil ich niemanden hatte, mit dem ich just in diesem Augenblick die Freude teilen konnte. Drei Bällchen konnte ich noch für meine Lehrerin in den Gefrierschrank retten und dann probierte ich sie.
..Matchatee zum Yomogimotchi
Ich gebe zu, das Selbermachen meiner heißbegehrten Mochibällchen hat ihnen etwas von der Exotik genommen. Dafür hat sich mir ein neues Experimentierfeld eröffnet, denn für meinen ersten Versuch war die Konsistenz gar nicht schlecht. Und ein Teil des Beifuß-Aromas hat es trotz des Kochprozesses doch noch ins Bällchen geschafft. Ich war sehr zufrieden und bin gespannt, ob sie auch meine Lehrerin überzeugen können. Nur die rote Bohnenpaste innendrin habe ich vermisst. Aber die kann man auch ganz einfach selber machen...habe ich im Internet gelesen...



Dienstag, 1. April 2014
Teezeremonie,... die 1.
Eine Teezeremonie ist ein Muss für jeden Japanreisenden. So oder ähnlich steht es in sämtlichen Reiseführern, die ich zu lesen bekommen hatte. Dass ich auf ganz anderem Wege zu dieser alten Tradition gefunden habe, sei einmal dahingestellt. Ich war auf jeden Fall neugierig, wie eine Teezeremonie in Japan nun tatsächlich aussehen würde. Gleich in der ersten Woche habe ich nachgefragt bei allen Japanern, mit denen ich mich auf Englisch verständigen konnte. Das waren nur zwei: die Frau von meinem Betreuer und meine Japanischlehrerin. Nicht viel, aber ich hatte Glück, denn meine Lehrerin nimmt selbst Unterricht und war ganz erfreut von meinem Interesse. Sie begann sofort für mich und die zwei jungen Franzosen, mit denen ich Japanisch lerne, ein Treffen für die darauffolgende Woche zu organisieren. An besagtem Tag fuhren wir gemeinsam zum Haus der Teelehrerin, einem eher unscheinbaren, aber typisch japanischem Haus. Wir betraten den Innenhof durch das hölzerne Schiebetor, wanderten den kurzen Weg über Trittsteine zum Haus und das leider in solch einer Eile, dass mir keine Zeit blieb, den kleinen Garten näher zu betrachten. Innen zogen wir die Schuhe aus und betraten den Tatamimattenbereich. Meine Tasche mit der Kamera ließ ich am Eingang zurück, denn alles war so klein und winkelig, dass ich nicht mit dem Rucksack anecken wollte und auch unsicher war, ob es später einen Ort zum Abstellen geben würde. Wir gingen in ein Vorzimmer, legten dort unsere Jacken in einen Schrank. Aus mir noch unerklärlichen Gründen scheint diese Kultur es noch nicht für notwendig befunden zu haben, Garderoben mit entsprechenden Haken zu erfinden, in meinem Apartment habe ich auch etwas derartiges noch nicht entdecken können, dafür einen Schrank im Eingangsbereich...?? Aber dazu ein andermal... Ich entledigte mich also allen unnötigen Ballasts und trat in den Teeraum.

Es war ein 8-Mattenraum, d.h. 8 Tatamimatten (ca à 90x180cm) haben darin Platz. Das ist recht groß für einen Teeraum, der meist zwischen 2,5 und 4,5 Matten umfasst und dadurch wesentlich intimer ist. Aber dieser Raum wird häufig zum Üben genutzt und ist deshalb geräumiger. Beim Eintreten blickte ich in der gegenüberliegenden Bildnische, der Tokonoma, auf eine Kalligrafie. Darunter gab es ein dezentes Blumengesteck, an dass ich mich leider kaum mehr erinnere.
Die Kalligraphie in der Tokonoma
Wir suchten uns einen Platz und begrüßten die Lehrerin mit einer Verbeugung und stellten uns dann nacheinander vor. Dass hatten wir im Unterricht zwar geübt, aber ich habe natürlich just die Hälfte vergessen. Nicht schlimm. Dann redeten oder vielmehr rätselten wir über die Kalligrafie. Meine Kalligrafielehrerin in Berlin hat mir dankenswerterweise bei der Übersetzung geholfen: „the sense of spring is all over the woods and Uguisu are singing everywhere“, lautet ihre Übersetzung. Uguisu 鴬 ist die Japanische Nachtigall: ein kleiner, grünlicher Vogel, der im Gegensatz zu unserer Nachtigall, tagsüber singt. „Uguisu wird mit Ume(Pflaumen)-Blüten und neuem Wachstum in Verbindung gebracht, deswegen ist es ein Frühjahrsbote und wird auch 春告鳥, harutsugedori, wörtl. „Vogel, der die Ankunft des Frühlings verkündet“ genannt.“ - so die Information einer tollen Webseite, die mich mit den Informationen versorgt hat, die bei der Teezeremonie in all der Aufregung zu kurz kamen. Dort gab es auch die folgenden zwei Fotos von der Uguisu und einem Uguisu Mochi - der entsprechenden Süßigkeit, die uns kurz darauf gereicht wurde.
Diese weichen Bällchen aus Motchi-Klebreis und gefüllt mit süßer Bohnenpaste mag ja nicht jeder - ich liebe sie (mittlerweile)! Nun, man muss vom europäischen Konzept einer Süssigkeit schon etwas Abstand nehmen, um sich auf die Japanischen einlassen zu können. Mich faszinieren sie immer wieder in ihrer Vielfalt und Andersartigkeit, besonders was die Konsistenz betrifft. Diese grün-bepuderte Variante hier kannte ich noch nicht. Die Konsistenz war sehr besonders: eine eher schwere Füllung aus einer dunklen, sämigen, süßen Masse und drumherum ein zartes Häutchen aus blassgrünem Motchiteig. Obendrauf war ein blassgrünes Puder, Mehl aus gerösteten Sojabohnen - wie ich später herausfand. Ich hielt das Usuigu-motchi in meiner Hand, fühlte das Gewicht und ich möchte meinen, ein Vogelkörper wiegt genauso viel - oder genauso wenig. Wäre es warm gewesen, hätte ich vielleicht Skrupel gehabt hineinzubeißen, aber so... aß ich sehr vorsichtig (auch um das Puder nicht überall zu verteilen). Es war köstlich!
Das Reinigen der Schale Der Griff zur Teedose Den Tee schlagen..
Absorbiert vom Genuß, bekam ich den Beginn der Teezubereitung durch die Tochter meiner Japanischlehrerin gar nicht mit. Als ich aufschaute, war sie schon in vollem Gange! Sie nutzte für die Vorbereitung ein Tablett und obwohl es in der Mitte des Raumes einen Kessel gab (mit Spuren von Holzasche darunter, wie ich neugierig feststellte) kam das Wasser für den Tee aus der Thermoskanne. Ich nehme an, die Holzkohlevariante hätte den zeitlichen (und vielleicht auch finanziellen) Rahmen unseres Unterrichts gesprengt und war uns deshalb vorenthalten worden.
Warten und die schönen Dinge bewundern..
Alles in allem war es ein lockeres Beisammensein, wenig steif und wenig heilig. Die Teelehrerin sprach alle notwendigen japanischen Sätze vor, wir sprachen nach. Das war recht einfach. Ich gebe zu, das Drumherum war auf aufregender für mich, als der Tee selbst, der allerdings einen sehr schönen Schaum hatte.

Für die, die mit der Teezeremonie noch nicht so vertraut sind.. Es wird häufig ein Matchatee serviert. Dazu wird ein Pulver aus getrockneten Grünteeblättern in heißem Wasser mit einem Bambusbesen aufgeschlagen und es ensteht idealerweise ein hellgrüner Schaum mit nicht zu großen Blasen. Der Geschmack erinnert manch einen an Spinat oder Algen, was am Chlorophyll – den grünen Farbpigmenten der Pflanzen liegt. Matchatee ist stärker als ein normaler gebrühter Tee, vielleicht vergleichbar mit Espresso. In der Schale befindet sich daher nur ein relativ kleiner, aber sehr intensiver Schluck dieses köstlichen Getränks.
die zweite auch ..und schon leer getrunken
Beide Schalen zeigen Motive der jetztigen Jahreszeit: hina dolls - für den Girls Day Anfang März, und sakura - die Kirschblüten, auf die wir gerade warten.
Nach dem ersten Tee gab es noch eine andere Süßigkeit: aufgespießte grüne Bällchen unter einer braunen Decke. Aufgespiesste Bällchen heissen hier Dango. Es gibt sie in verschiedenen Varianten, mit verschiedensten Soßen. Diese hier ist aus... – na... was wird das wohl sein? Richtig... Bohnenpaste. Aber das drunter – dass war das eigentlich überraschende: ein grünes Bällchen mit merkwürdig fester Konsistenz, dass irgendwie nach Gras schmeckte. Ich war irritiert, denn bisher war in allen Süßigkeiten, die grün waren, auch Grüntee drin.... Es wurde mir als saisonale und regionale Spezialität vorgestellt und nach ein paar Recherchen im Netz kannte ich auch den Namen: Kusa Mochi, wobei "Kusa" Gras bedeutet. Das „Gras“ war 蓬Yomogi, japanischer Beifuß, der mit unserem Beifuß verwandt ist. Die Mochis heißen daher auch Yomogi-Mochi.
Mit dieser für Teezeremonien ungewöhnlich großen Süßigkeit war ich reichlich beschäftigt und schaffte es kaum fertig zu werden, als mir schon die zweite Schale Matchatee serviert wurde. Ich bedankte mich für die Zubereitung bei der Gastgeberin, dankte mit einer allgemeinen Geste allen anderen, die mir den Genuß dieses Tees ermöglicht haben, und trank auch diese. Es folgte nocheinmal ein Dank und dann säuberte die Temai die Teeutensilien und brachte sie zurück in die kleine Tee-Küche nebenan, die mizuya.
Der Ort der Vorbereitung..
Wir plauderten währenddessen ein wenig.
Meinen Namen fanden die Damen in der Runde sehr schön. Er erinnerte sie an den Film von Humphrey Bogart und Audrey Hepburn. Ich war erstaunt - hatte ich mir doch im Vorfeld Gedanken gemacht, ob sie meinen Namen überhaupt aussprechen werden können und ob ich mich nicht zeitweise anders nenne... Ich sollte nicht soviel denken, dacht ich und wurde von einem Kichern auf der anderen Seite aus meinen Gedanken gerissen. Die Damen blickten immer wieder zu mir herüber und kicherten. Auf mein Nachfragen, gab mir die Teelehrerin mit Gesten zu verstehen, dass sie von meiner langen, schmalen Gesalt angetan ist. Etwas aufgeregt ging sie daraufhin ins Nebenzimmer und kam mit einem altrosafarbenen, sehr langen Kimono zurück, den ich anprobieren sollte. Er passte perfekt! ..woraufhin alle ihre Kameras zückten...
obligatorische Kimonobilder sehr zufrieden
Danach gab es noch einige Gruppenfotos vor der Kalligraphie (Foto folgt evt.) und einiges Gelächter. Dann verabschiedeten uns und fuhren zurück.
Beim Herausgehen griff ich meinen Rucksack mit der Kamera. Ich war dankbar, dass Vincent Fotos gemacht hat und bin jetzt dankbar, dass ich sie hier zeigen kann. Ich bin mir sicher, dass ich nicht das letzte Mal in diesem Haus gewesen bin und nicht das letzte mal auf einer japanischen Teezeremonie.



Sonntag, 30. März 2014
Glücksfische?
Gestern wollte ich mir zum Nachmittag etwas Süßes gönnen und beschloss den kleinen Laden in der Nähe des Instituts auszuprobieren, an dem ich schon einige Male neugierig vorbeigegangen bin. Dort verkaufen sie gefüllte Fische. Das heisst gefüllte Waffeln in Fischform, die Taiyaki (jap. 鯛焼き, dt. „Meerbrassengebäck“) heißen. Neben der klassischen Füllung mit süßer Bohnenpaste (Anko), gibt es die Waffelfische auch gefüllt mit Schokoladen-, Grüntee-, Erdbeer- oder Maronenmuscreme oder aber mit Vanillepudding. Die Grünteecremefüllung ist für uns vielleicht etwas merkwürdig, aber hier wäre es merkwürdiger, es würde keine Grünteecremefüllung geben, denn hier gibt es Grüntee, oder um genau zu sein Matcha (gemahlene Teeblätter), in allem: Matchaeis, Matchakuchen, Matchabonbons, Schokolade mit Matchafüllung. Letzteres ist auch ganz lecker. Es erinnert etwas an Ovomaltine, bzw. Ovomaltine-Schoki. Es ist nicht sehr süß, eher etwas herb. Ich mag die rote Bohnenpaste, die auch in den Mochis – den weissen Bällchen aus Klebreis ist. Vielleicht auch, weil ich es immer noch seltsam finde, Süßigkeiten aus Bohnen herzustellen. Man kann die Paste in 500g Packungen kaufen und mit heißem Wasser eine süße Suppe daraus machen und Klebreis darin aufweichen... Mit solchen Experimenten habe ich die zweite Woche zugebracht und dabei mehr Anko pur gegessen, als gut für mich war. Aber egal. Ich habe trotzdem Anko-fische bestellt und konnte dann zusehen, wie sie die Waffeleisen befüllten: Erst eine Seite des Fisches, dann ein großer Klumpen rotbraune Ankopaste drauf, dann die andere Seite befüllen, kurz anbacken lassen und dann das Eisen schließen und die beiden Hälften zusammenpressen und warten...

Eine Spezialität: gefüllte Fische

Die Fische sollen angeblich Glück bringen, warum weiss ich nicht und ob sie meinen Tagesablauf positiv beeinflusst haben, ist fraglich. Mein Fahrrad ist kurz darauf zusammengebrochen, als ich mich gerade auf den Weg zum Strand gemacht hatte. Ob das Glück war....?? Auf jeden Fall waren die warmen Fische sehr lecker und ich fragte mich ob das mit der Füllung mit unseren europäischen Waffeleisen auch funktioniert...

Auf dem Weg zum Strand...
gabs einen Schlag.